Brief an die Bundesspitze

Am Dienstag hatten wir volles Haus zur Mitgliederversammlung, um schonungslos über die Ergebnisse der Landtagswahl zu sprechen. Wir haben ohne Gegenstimme beschlossen einen Brief an die Bundesspitze zu senden – wir fordern einen radikalen Neustart durch: sofortige Urwahl des Bundesvorstands, den Austritt aus der Großen Koalition, die Abkehr von der Agendapolitik und die sozial-ökologische Ausrichtung der SPD.

Liebe Andrea,
lieber Bundesvorstand,

hiermit möchte sich die Basis an Euch wenden – genauer genommen der Ortsverein der SPD in Frankfurt-Sachsenhausen. Wir sind der mit Abstand größte Ortsverein in Frankfurt am Main und bekannt dadurch, durchaus streitbar zu sein. Darauf sind wir stolz. Denn wir sind fest davon überzeugt, dass nur über den Austausch von widerstreitenden Argumenten, eine aufrichtige Meinungsbildung stattfinden kann.

Deshalb wenden wir uns auch heute an Euch, denn wir als Basis, wir müssen unseren Unmut und unsere Sorge äußern. Wir haben uns schon im Rahmen der Mitgliederbefragung gegen das erneute Eintreten in die Große Koalition ausgesprochen. Trotzdem haben wir all unseren Optimismus zusammen gerottet und gehofft, dass wir Unrecht hatten. Aber es ist noch schlimmer gekommen, als wir befürchtet haben.

Nun kann man sagen, dass Landtagswahlen doch nichts zu tun haben mit der Bundesebene. Leider war das in Bayern und Hessen den Wähler*innen ziemlich egal.

Das Konstrukt der Großen Koalition zwingt uns weiter in eine Situation, in der wir faule Kompromisse schließen müssen: Zuletzt der Dieselkompromiss und die Causa Maaßen. Das Gehänge und Gewürge um Maaßen und unsinnige Masterpläne von Horst Seehofer zum Thema Asyl. Diejenigen, die dieser Hetze den Mittelfinger zeigen wollten, die haben sich für die Grüne Partei entschieden. Warum nicht für uns? Die antifaschistische, antirassistische Tradition der Sozialdemokratie ist im Schredder der Großen Koalition gelandet.

Und dann war da der Hambacher Forst und die Klimapolitik. Nein, wir sind nicht die Grünen und die wollen wir auch nicht sein. Wir haben eine klare sozialpolitische Agenda. Wir freuen uns, wenn wir endlich das Thema Wohnen mutig angehen (Mietenstopp!) und die Agenda überwinden (endlich!), aber wenn wir Volkspartei sein wollen, dann müssen wir hinhören, was die Menschen bewegt. Und Themen wie der Klimawandel und die Verabschiedung von der Braunkohleförderung – das sind längst Themen, die in der Breite der Gesellschaft angekommen sind. Umweltgerechtigkeit ist soziale Gerechtigkeit!

Liebe Andrea, lieber Bundesvorstand,

wir wünschen uns mehr Mut und mehr klare Kante statt Angst und schöngeredete Kompromisse. Nein, die Erneuerung in der Regierung hat nicht funktioniert. Wir haben uns weder strukturell, noch personell erneuert, noch haben wir unser inhaltliches Profil geschärft. Wir haben noch weiter Glaubwürdigkeit eingebüßt. Und wir hier an der Basis, wir wissen einfach nicht mehr, wie wir den Kurs der SPD Bundestagsfraktion noch den Menschen erklären sollen.

Aber wir wären ja auch keine Sozialdemokrat*innen, wenn wir so leicht aufgeben würden. Die SPD in Frankfurt ist schon in der Vergangenheit oft früher dran gewesen, war Vorreiter von Entwicklungen, die sich dann auch auf Landes- und Bundesebene so fortgeführt haben. Hier steckt die gute Nachricht. Wir hier – wir sind jünger, weiblicher, vielfältiger, basisdemokratischer. Und wir glauben wieder an unsere Leute, an unsere Ideen, daran, was bewegen zu können. Deshalb tun es auch die Menschen in unserer Stadt.

Mit 70,8 Prozent wurde unser Oberbürgermeister Peter Feldmann vor ein paar Monaten wieder gewählt – mit einer mutigen, klaren, linken Politik, mit konkreten Verbesserungen für das alltägliche Leben der Menschen – mit dem Kernthema Wohnen. Aber auch mit Aufrichtigkeit, die es den Menschen leicht gemacht hat, Vertrauen zu sammeln. Wir haben es geschafft, Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen, mit Haltung, indem wir Wort gehalten haben.

Wir hatten im Wahlkampf in Hessen die richtigen Antworten auf die für die Menschen dringenden Fragen. Die hessische CDU hat Hessen in den 20 Jahren runter gewirtschaftet. Mit den Themen Bildung, Mobilität, Wohnen haben wir die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Aber für die Menschen an den Infoständen standen andere Dinge im Vordergrund.

Wir wollen das Vertrauen der Menschen zurück gewinnen, dazu braucht es einen radikalen Neustart. Wir fordern:

Neuwahl des Bundesvorstands per Urwahl.
Den Austritt aus der Großen Koalition.
Die Abkehr von der Agendapolitik.
Eine sozial-ökologische Ausrichtung der SPD.

Solidarische Grüße, Euer Ortsverein Frankfurt-Sachsenhausen

Frankfurter Basisaufruf

Außerdem gibt es einen Frankfurter Basisaufruf mit der Erneuerung der SPD Ernst zu machen, der viele Unterstützer findet. Jetzt gibt es ein Google Doc, in dem weitere Unterstützer mitzeichnen können. Ihr findet den Aufruf unter dem folgenden Link.