
Jüngst kürte der Sachsenhäuser SPD-Ortsverein Eberhard Ruoff zu seinem neuen Vorsitzenden. Im Interview mit FNP-Mitarbeiter Mirco Overländer sprach der 61-jährige Genosse über seinen knappen Wahlsieg, die künftige Ausrichtung des Ortsvereins und den parteiinternen Zwist der zurückliegenden Monate.
Herr Ruoff, was bewog Sie dazu, für den Vorsitz des Sachsenhäuser SPD-Ortsvereins zu kandidieren?
EBERHARD RUOFF: Ich denke, es ist notwendig, wieder zu einer Arbeitsweise zurückzukehren, die der Partei und unseren Sachsenhäuser Mitgliedern gerecht wird. Ich bin seit ich in der SPD bin in diesem Ortsverein aktiv. Er liegt mir sehr am Herzen. Mein Ziel ist es, ein einigendes Element zwischen unseren Mitgliedern herauszubilden. Dementsprechend besteht unser neuer Vorstand sowohl aus langjährigen wie aus neuen Mitgliedern.
Wann und weshalb traten Sie der SPD bei?
RUOFF: Ich bin 1997 in die SPD eingetreten, da mich die steigenden Arbeitslosenzahlen unter der Kohl-Regierung störten. Seit 1991 lebe ich in Sachsenhausen und bin dem Ortsverein Sachsenhausen-West beigetreten, der 2005 mit dem Ortsverein Sachsenhausen-Ost zum größten Ortsverein Frankfurts fusionierte. Übrigens bin ich der erste Vorsitzende des wiedervereinten Ortsvereins, der aus dem früheren westlichen Teil stammt. Meine Vorgänger Petra Tursky-Hartmann, Frank Brückner und Thomas Müller kamen alle aus Sachsenhausen-Ost.
Sie wurden mit knapper Mehrheit zum neuen Vorsitzenden der Sachsenhäuser SPD gewählt. Fühlen Sie sich legitimiert, die Interessen des gesamten Ortsvereins zu vertreten?
RUOFF: Warum nicht? Es gab zwei Kandidaten, die beide das Spezialthema Fluglärm hatten. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die Wahl mit 32 zu 30 Stimmen knapp ausging.
Haben die Flughafen-Ausbaugegner also das Kommando übernommen?
RUOFF: So ist es nicht. Wir haben schon vor dem Eintritt der Genossinnen und Genossen, die im Januar 2013 zu uns kamen, die Forderung zur Stilllegung der Landebahn im Januar 2012 mit Zweidrittel- Mehrheit verabschiedet und im April mit nur drei Gegenstimmen erneut bestätigt. Ich fühle mich auch deshalb als Vorsitzender des gesamten
Ortsvereins. Wir haben eine gute Mischung zwischen denjenigen, bei denen sozialdemokratische Überzeugung zur guten Familientradition gehört, verdienten Gewerkschaftern und jenen Mitgliedern, die aus dem Bildungsbürgertum kommen. Die Mitgliederversammlung hat Klarheit geschaffen: Der Ortsverein will zurück zur Sacharbeit. Dafür stehe ich. Wir nehmen jeden mit, der sein Anliegen artikuliert und sich an die Spielregeln hält. Wem Entscheidungen nicht passen, von dem erwarte ich, dass dies in den Gremien des Ortsvereins angesprochen wird.
Seit über einem Jahr machen die Sachsenhäuser Genossen vor allem durch interne Streitigkeiten auf sich aufmerksam. Was ist zu tun, damit endlich wieder Ruhe einkehrt?
RUOFF: Ich störe mich an dem Wort Streitigkeiten. Mein Vorgänger Thomas Müller hat tolle Wahlkämpfe organisiert, an denen sich alle Genossen beteiligten. Die Konzentration auf Sachthemen hat vielleicht ein wenig gelitten. Aber in den Gremien, in denen es Diskussionen möglich waren, sind inhaltliche Streitigkeiten nie zutage getreten. Gerade deshalb ist es mein Ziel, lieber miteinander als übereinander zu sprechen und Auseinandersetzungen innerparteilich auszutragen. Daher trete ich auch für einen wertschätzenden Umgang miteinander ein.
Es wird gemunkelt, dass der Streit um den Beitritt der Flughafen- Ausbaugegner einen seit Jahren schwelenden Konflikt um die Deutungshoheit im Ortsverein erneut anheizte. Wie denken Sie über diese These?
RUOFF: Die Leute, die so etwas behaupten, instrumentalisieren diese Vorgänge für ihre eigenen, gegen die SPD gerichteten Interessen. Die Auseinandersetzungen über Sachthemen sollen damit verhindert werden. Die gute und herausfordernde Arbeit, die wir in den vergangen Jahren geleistet haben, geriet somit weniger in den öffentlichen Diskurs. Das ist nicht meine Art. Ich spreche die Dinge offen an und will die Auseinandersetzung um die Sache. Munkeleien führen zu Händel, die keiner will.
Und weshalb eskalierte der Konflikt um die Neu-Mitglieder derart?
RUOFF: Nicht nur für mich, für uns Sozialdemokraten sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundidee einer demokratischen Gesellschaft. Solidarität gilt für Fluglärm-Geschädigte genauso wie für Amazon-Arbeiter. Die Mär, dass die Neu-Mitglieder eine feindliche Übernahme planten, wurde als solche instrumentalisiert. Es war und es ist einzigartig, dass Menschen, die wegen unserer Programmatik die Arbeit des Ortsvereins stärken wollen, belegen sollen, dass sie gute Sozialdemokraten sind. Mir tut es heute noch sehr leid, dass die Leute in solch eine Situation getrieben wurden. Einstehen für einander ist Sozialdemokratie pur. Ich wohne übrigens selbst in der Heimatsiedlung und kann sagen: Fluglärm gibt weder den Hütten noch den Villen, wo immer sie sein mögen, Frieden.
Der Kampf gegen Fluglärm soll weiterhin ein zentraler Arbeitsschwerpunkt des Ortsvereins bleiben. Halten Sie an der Forderung nach Stilllegung der Nordwest-Landebahn fest?
RUOFF: Wir hatten, als wir diesen Beschluss verabschiedeten, lange diskutiert, ob und welche Möglichkeiten es für einen sozialverträglichen Ausbau des Flughafens gibt. Wir sahen und sehen auch heute noch keine Alternativen zur Stilllegung der Nordwest-Landebahn. Legt man die Ausbauziele zugrunde, gibt es keine Notwendigkeit, sie weiter zu betreiben. Alle Prognosen, die zum Landebahnbau führten, sind nicht eingetroffen. Jetzt wird im Nachhinein versucht, abseits des ursprünglichen Konzepts als internationalem Umsteigeflughafen, Billigflieger anzuwerben und ruiniert im Gegenzug den zum Rhein-Main- Flughafenkonzept gehörenden Standort Hahn.
Was ist mit dem Jobmotor der Region?
RUOFF: Das Arbeitsplatzargument dient zur Absicherung der Ausbauinvestitionen. 2007 hatten wir nach Angaben der Fraport rund 75 000 Arbeitsplätze am Flughafen. Uns wurde versprochen, dass 100 000 Arbeitsplätze hinzukommen. Davon sind wir bei einem Quasi- Nullzuwachs weit entfernt. Zugleich erfahren wir schon heute einen exorbitanten Lärmzuwachs, der erst für 700 000, also weiteren 230 000 Flugbewegungen pro Jahr prognostiziert wurde.
Unter der Woche leben Sie wegen Ihres Berufs in Berlin. In Frankfurt sind Sie meist nur am Wochenende. Reicht diese Zeit aus, um der Rolle des Ortsvereins-Vorsitzenden gerecht zu werden?
RUOFF: Ich hätte das Amt nicht angenommen, wenn nicht demnächst eine berufliche Veränderung anstehen würde. Ich werde nach Ostern nach Frankfurt zurückkehren. Außerdem habe ich mit Andrea Müller- Wüst und Sylvia Weber zwei Stellvertreterinnen, die mit der notwendigen Erfahrung die Arbeit vorantreiben und anstehende Aufgaben übernehmen werden.
Was sind die nächsten Pläne des Ortsvereins?
RUOFF: Es ist wichtig, dass wir die Leute bei der Europawahl zum Wählen bringen, auch um die Parteien am rechten Rand aus dem Europaparlament herauszuhalten. Wir werden den Menschen verdeutlichen, dass Europa nicht nur ein Finanzprojekt mit krummen Bananen ist, sondern auch eine Solidargemeinschaft, in der man sich umeinander kümmert. Zudem sollten wir jetzt schauen, gut mit unserer Landtagsfraktion zusammenzuarbeiten. Als größter Ortsverein der Stadt werden wir unsere Themen verstärkt auch im Unterbezirk einbringen und entsprechende Kooperationen herstellen. Wir müssen den Bürgern mehr Gehör verschaffen, damit sie politische Entscheidungen nachvollziehen können.
Artikel vom 15.03.2014, 03:30 Uhr (letzte Änderung 15.03.2014, 03:34 Uhr)
Artikel: http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Ich-spreche-die-Dinge- offen-an;art675,781936
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Zur Person: Eberhard Ruoff von Mirco Overländer
Eberhard Ruoff ging im baden-württembergischen Calw zur Schule, studierte anschließend Betriebswirt an der Fachhochschule Pforzheim und absolvierte seinen Zivildienst beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Stuttgart. Später arbeitete der Genosse als Delegierter des DRK für Flüchtlingsfragen in Bonn. Berufliche Zwischenstationen verschlugen den 61-jährigen Betriebswirt nach Kigali in Ruanda und Addis Abeba. Derzeit arbeitet Ruoff für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Personalbevollmächtiger für den Betriebsteil Berlin. In Kürze wird Ruoff wieder in das Rhein-Main-Gebiet wechseln. In der Sachsenhäuser SPD ist er seit 1997 aktiv, wo er seit 1991 lebt.
(mov)
Artikel vom 15.03.2014, 03:30 Uhr (letzte Änderung 15.03.2014, 02:49 Uhr)
Artikel: http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Zur-Person-Eberhard- Ruoff;art675,781935
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